Die Geschichte der Kirchenglocken

Der Blick in die Vergangenheit

„Die Noldens“ waren bis in die späten 70er Jahre in Hitdorf bekannt. Schon seit Generationen betrieben sie hier ihre Metzgerei und zwar genau an der Stelle, wo heute meine Praxis steht.
Mein Vater ist hier aufgewachsen, gemeinsam mit seinen Eltern und Großeltern. Hier spielte sich das Leben ab, inmitten eines Alltags der hauptsächlich durch die Arbeit im Metzgereibetrieb geprägt war. Die beiden Weltkriege haben auch bei ihnen Spuren hinterlassen und ihr Schicksal tiefgreifend geprägt.

Auch ich bin in Hitdorf geboren

und habe hier meine ersten Jahre verbracht. „Om Lohr“ betrieben meine Eltern ihre Metzgerei. Das Leben um mich herum war von viel Arbeit und wenig Zeit geprägt. Alles drehte sich hauptsächlich um das Geschäft. Dieser Umstand hat mich als kleines Mädchen dazu verleitet, meinen Radius aktiv zu erweitern. Das, wofür meinen Eltern vielleicht die Muße fehlte, wurde von einer gut vernetzten und lebendigen Dorfgemeinschaft übernommen. Jeder wusste, wer „et Noldens´Stephanie“ war und ich fühlte mich an vielen Stellen jederzeit willkommen. Im englischen heißt es: „the world is your Oyster – die Welt steht dir offen.“ Das Hitdorfer Gemeinschaftsleben hat den Samen für dieses Lebensgefühl in mir gepflanzt.

Bereits als Kind habe ich Geschichten geliebt. Vor allem solche, die direkt aus dem Leben gegriffen wurden. Bei jeder günstigen Gelegenheit habe ich die Erwachsenen um mich herum gebeten: „Erzähl nochmal von früher.“ Bereitwillig teilten sie die kleinen oder auch großen Anekdoten ihrer Vergangenheit. Manche leicht und humorvoll, andere wiederum mit dem Schmerz des Schicksals verbunden. Während ich an ihren Lippen hing, wurde die Welt, die sie beschrieben, vor meinen Augen lebendig.

Zurück zur Gegenwart

An einem Nachmittag, als ich dabei war die Fenster in der Praxis zu putzen, ertönten die Glocken der St. Stephanus Kirche, die zwei Häuser weiter steht. Für einen Moment unterbrach ich meine Arbeit und lauschte. Ich ahnte, dass dieser tiefe und volle Klang aus den Kirchtürmen bereits das Leben meiner Vorfahren auf irgendeine Weise berührt haben musste. (*)

Erinnerungen aus den Erzählungen meines Vaters wurden in mir wach und ich sah ihn als kleinen Jungen mit seiner Schäferhündin Ina hier spielen. Tante Maria hatte ein Auge auf ihn und meine Oma stand hinter der Ladentheke und verkaufte Fleisch und Wurst. Auch der alte Opa Nolden war da und paffte eine dicke Zigarre im Hof.

In diesem Augenblick spürte ich eine tiefe Verbindung zu meiner Familie und den Generationen, die vor ihnen hier lebten. Die tragenden Wurzeln dieses Ortes wurden unter meinen Füßen lebendig. Und so ist es nun jedes Mal, wenn ich die Glocken erklingen höre. Ich halte kurz inne, spüre meine Verbindung zur Erde und erinnere mich an die Menschen, die mir den Weg bis hierher bereitet haben. Was bleibt, ist tiefe Dankbarkeit.

* kleiner Faktencheck: Fertigstellung der St. Stephanuskirche 1887. Die Glocken wurden in beiden Weltkriegen eingeschmolzen, die letzte Glockenweihe der neuen Glocken fand am 3. August 1952 statt. Quelle: Leverkusen.com