Über einheimische Sagen und Märchen zu den eigenen Wurzeln
In unserer westlichen Kultur findet man nur wenig direkte Nachweise davon, wie unsere Vorfahren vor der Industrialisierung mit der lebendigen Natur gelebt und ihre Beziehung zu ihr gepflegt haben. Vieles wurde als Aberglaube oder Spinnerei abgetan und weggeschoben.
Aber unsere Ur-eigenen Quellen sind nicht gänzlich versiegt. Wir müssen nur ein bisschen genauer hinschauen, denn sie leben gut versteckt in unseren alten Sagen, Mythen und Märchen.
Vor einiger Zeit habe ich mich mit der Geschichte der Wupper beschäftigt. Bei meinen Recherchen bin ich bei Wikipedia plötzlich auf eine Zwergen-Sage gestoßen. Auch in unserem Kulturkreis gehören sie zu den Naturgeistern und sind ein Ausdruck der Beseeltheit der Natur. Ich staunte nicht schlecht, als ich in dieser Erzählung doch ein bisschen über den Umgang mit den Naturwesen lernen konnte. Seither begegnen mir die kleinen Wichte immer wieder mal und es ist, als würden sie sagen: „Hey wir möchten wieder Teil deines Lebens werden. Bitte schenke uns mehr Aufmerksamkeit.“
Aus Liebe zu alten Erzählungen und den magischen Kräften der Natur möchte ich an dieser Stelle gerne zwei kurze Zwergen-Sagen teilen, die direkt aus dem heimatlichen Boden gewachsen sind.
Die Entstehung der Wupper
Einst schritt ein Gnom, den Stab in zarter Hand, durchs raue Land der Berge dahin. Den Menschen Wohltaten zu spenden, war sein unablässiges Bestreben. Allein ihm mangelte es an Speise, denn es war ein Hungerjahr. Da gewahrte ihn ein Weib, und, seine Not erkennend, bot sie ihm würzige Erdbeeren, welche sie im fernen Tale für ihre Kleinen gepflückt hatte. Hoch erfreut aß der Zwerg, gewährte aber dem Weibe aus Dankbarkeit die Gewährung eines Wunsches. Dessen Verlangen war nun nicht auf Gold gerichtet. Darum erbat sie das Wohlwollen des Gnomen Königs für ihre Kinder und dies raue, unwirtliche Land. Der König gewährte die Bitte und befahl dem Weibe, an dieser Stelle zu graben. Kaum hatte es mit der Arbeit begonnen, als ein wasserreicher Quell hervorsprudelte, der munter zu Tal hüpfte. »Dieser Quell«, sprach der Gnom, »wird das Glück Deiner Kinder sein. Denn sein Wasser wird bald zum kräftigen Fluss erstarken, der Segen verbreiten und Gold und Silber hervorzaubern wird. Namentlich wird der Ort beglückt werden, wo Du mir die Erdbeeren gepflückt hast. Weit wird einst der Ruhm Elberfelds durch die Welt dringen.« Da verschwand der Gnom.
(Quelle Projekt Gutenberg.de, in kürzer Variation auch auf Wikipedia zu finden)
Die Sage vom goldenen Brei
Im Eifgental, ganz in der Nähe der Rausmühle bei Burscheid, soll früher ein fleißiges und gutmütiges Zwergenvolk gelebt haben. Sie hausten in einer Höhle im Felshang. Die Stelle wurde von den Bauern der „Zwergenfelsen“ genannt. Die Zwerge standen den armen Bewohnern des Tales hilfreich zur Seite, so dass diese keine Not leiden mussten. Und die Bewohner schätzten und verehrten die Zwerge für ihre guten Taten.
Eines Tages besuchten die Zwerge die Müllerin in der Rausmühle, um ihr Korn mahlen zu lassen und baten sie, ihnen doch einen Topf zu leihen, um von dem Mehl einen Brei darin zu kochen. Sie hätten ein großes Loch in ihren Topf gebrannt und müssten sonst hungern. Die Müllerin hatte ein gutes Herz und gab den Zwergen ihren schönsten und größten Topf, damit die Zwerge auch reichlich zu essen hätten. Wie staunte die Müllerin, als ihr der Kochtopf nach ein paar Tagen von zwei Zwergen wieder zurückgegeben wurde. Weil das Gefäß so groß war, hatten die Zwerge den Brei nicht aufgegessen und der Topf war noch halb voll. Die Zwerge bedankten sich bei der Müllerin, verabschiedeten sich und waren alsbald im Wald verschwunden. Sobald die Zwerge nicht mehr zu sehen waren, verwandelte sich der Brei in Gold. Dadurch kamen die Müllersleute zu großem Wohlstand und auch ihre Kinder und Kindeskinder hatten immer genug zu essen.
(Quelle: gefunden auf einer Tafel, neben den „Zwergenfelsen“ bei der Markusmühle, zwischen Burscheid und Wermelskirchen)